Evangelischer Bischof Wolfgang Huber zur Kopftuchdebatte
In einem Interview mit der Frankfurter Rundschau äußert sich der evangelische Bischof und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland Wolfgang Huber zum Kopftuchstreit:
FR:Ein anderes Thema. Was halten Sie vom Vorstoß des Bundespräsidenten im Kopftuchstreit?
Huber: Dem Ausgangspunkt stimme ich zu: Religiöse Symbole müssen im Blick auf das Grundrecht der Religionsfreiheit gleich behandelt werden. Doch das Tragen des Kopftuchs ist nicht umstritten, weil es ein Ausdruck des islamischen Glaubens wäre, sondern weil es ein politisches Symbol ist. Die Kopftuchpflicht stammt nicht aus dem Koran, sondern gehört in den Entwicklungszusammenhang des Islamismus. Das hat der Bundespräsident gar nicht angesprochen.
FR: Johannes Rau sagt, bei einem Kopftuchverbot sei die Mönchskutte in der Schule nur schwer zu rechtfertigen.
Huber: Seit Geltung des Grundgesetzes gab es meines Wissens keinen Konflikt über das Tragen einer Mönchskutte in einer öffentlichen Schule. Man sollte deshalb nach meiner Auffassung Lösungen suchen, die den Konfliktbereich nicht in unnötiger Weise ausdehnen. Der durch Tradition, Recht und Verfassung definierte Charakter der Schule im jeweiligen Bundesland ist zu berücksichtigen. Auch schulspezifische Gesichtspunkte sind unter Umständen zu beachten. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht nun die Regelung durch ein allgemeines Gesetz gefordert hat, sollte man es vermeiden, das Problem nach der allzu deutschen Methode "Alles oder nichts" zu lösen.
FR: Gibt denn nicht das Bundesverfassungsgericht im Kopftuchurteil Gleichbehandlung aller Religionen als Richtschnur vor?
Huber: Die Gleichbehandlung aller Religionen im Blick auf die persönliche Religionsfreiheit gibt nicht das Gericht, sondern das Grundgesetz vor. Ich bejahe sie ausdrücklich. Ich halte aber für problematisch, wie schon in dem Urteil die Regel auf unterschiedliche Symbole angewandt wird. Ich sehe keinen Grund dafür, dass sich der Gesetzgeber sklavisch an solch problematische Überlegungen hält. Insbesondere muss er berücksichtigen, dass man weder das Kopftuch selbst noch die Behauptung, jemand sei zum Tragen des Kopftuchs verpflichtet, einfach als religiöses Symbol bezeichnen kann. Die große Mehrheit der Muslime in Deutschland lehnt eine solche Pflicht ausdrücklich ab. Ihrer Integration jedenfalls wäre mit der Anerkennung einer Kopftuchpflicht für öffentliche Schulen also nicht gedient. Es fällt mir deshalb schwer zu verstehen, warum behauptet wird, die Zulassung des Kopftuchs sei um der Integration der Musliminnen und Muslime in unserer Gesellschaft willen notwendig. Auch in dieser Hinsicht rate ich zu einer behutsameren Argumentation.
FR:Ein anderes Thema. Was halten Sie vom Vorstoß des Bundespräsidenten im Kopftuchstreit?
Huber: Dem Ausgangspunkt stimme ich zu: Religiöse Symbole müssen im Blick auf das Grundrecht der Religionsfreiheit gleich behandelt werden. Doch das Tragen des Kopftuchs ist nicht umstritten, weil es ein Ausdruck des islamischen Glaubens wäre, sondern weil es ein politisches Symbol ist. Die Kopftuchpflicht stammt nicht aus dem Koran, sondern gehört in den Entwicklungszusammenhang des Islamismus. Das hat der Bundespräsident gar nicht angesprochen.
FR: Johannes Rau sagt, bei einem Kopftuchverbot sei die Mönchskutte in der Schule nur schwer zu rechtfertigen.
Huber: Seit Geltung des Grundgesetzes gab es meines Wissens keinen Konflikt über das Tragen einer Mönchskutte in einer öffentlichen Schule. Man sollte deshalb nach meiner Auffassung Lösungen suchen, die den Konfliktbereich nicht in unnötiger Weise ausdehnen. Der durch Tradition, Recht und Verfassung definierte Charakter der Schule im jeweiligen Bundesland ist zu berücksichtigen. Auch schulspezifische Gesichtspunkte sind unter Umständen zu beachten. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht nun die Regelung durch ein allgemeines Gesetz gefordert hat, sollte man es vermeiden, das Problem nach der allzu deutschen Methode "Alles oder nichts" zu lösen.
FR: Gibt denn nicht das Bundesverfassungsgericht im Kopftuchurteil Gleichbehandlung aller Religionen als Richtschnur vor?
Huber: Die Gleichbehandlung aller Religionen im Blick auf die persönliche Religionsfreiheit gibt nicht das Gericht, sondern das Grundgesetz vor. Ich bejahe sie ausdrücklich. Ich halte aber für problematisch, wie schon in dem Urteil die Regel auf unterschiedliche Symbole angewandt wird. Ich sehe keinen Grund dafür, dass sich der Gesetzgeber sklavisch an solch problematische Überlegungen hält. Insbesondere muss er berücksichtigen, dass man weder das Kopftuch selbst noch die Behauptung, jemand sei zum Tragen des Kopftuchs verpflichtet, einfach als religiöses Symbol bezeichnen kann. Die große Mehrheit der Muslime in Deutschland lehnt eine solche Pflicht ausdrücklich ab. Ihrer Integration jedenfalls wäre mit der Anerkennung einer Kopftuchpflicht für öffentliche Schulen also nicht gedient. Es fällt mir deshalb schwer zu verstehen, warum behauptet wird, die Zulassung des Kopftuchs sei um der Integration der Musliminnen und Muslime in unserer Gesellschaft willen notwendig. Auch in dieser Hinsicht rate ich zu einer behutsameren Argumentation.
andreas-hamburg - 12. Jan, 13:08